Sonntag, 22. Dezember 2013

Werneth - Getreidelager

Es ist Mittwoch der 6. November ich wohne noch immer auf der Farm Gorrinn und arbeite in Woolsheds, sammle also Wolle auf. Der am Anfang komplizierte Wurf des Fleeces ist inzwischen reine Routine, ein Wurf in voller eile und über eine Länge von drei Metern - kein Problem. Ich habe viel Spaß an dem Job, arbeite zum Teil mit Neuseeländern, wo aus Tradition die Bassbox bis auf Anschlag aufgedreht wird, oder in klassischen australischen Teams, bei denen es immer eine lustige Geschichte der Kollegen zu hören gibt, einer redet da immer, 10 Stunden am Tag mit einer halben Stunde Unterbrechung, in der zweiten Hälfte der Mittagspause schlafen die meisten für 20 Minuten. Ich habe mich an den Rhythmus gewöhnt, zwei Stunden arbeiten, halbe Stunde pause und wieder zwei Stunden arbeiten bis abends halb sechs das letzte Schaf geschoren wird und das Bier auf der Heimfahrt je länger die Woche ist immer besser schmeckt. Am nächsten Morgen geht es wieder früh aus den Federn, gegen um 6 fahre ich los, sammle ein paar Kollegen auf dem Weg ein und halb acht beginnt das selbe Spiel wieder von vorne, zehn Stunden laute Musik oder zehn Stunden lustige Geschichten – Kiwi oder Aussie Team – Wolle aufzusammeln und durch die Gegend zu werfen gibt es immer. So geht das ganze sieben Tage die Woche, irgendwo gibt es immer ein Schaf mit zu viel Wolle, einen Scherer der 200 Haarschnitte am Tag verteilt und mich der 200 mal die Wolle aufhebt, wirft, sortiert und presst. So würde es in einer idealen Welt aussehen, doch leider gibt es diese auch hier nicht. Der Regen macht uns zur Zeit zu häufig einen Strich durch diese Rechnung, nasse Wolle kann nicht geschoren werden und somit sitze ich an diesen Tagen auf Gorrinn fest, verdiene nicht einen Dollar und bin meist nicht gut gelaunt, ich hasse diese Tage. Leider häufen sie sich zurzeit immer mehr, meist kommen nicht mehr als vier Arbeitstage pro Woche zusammen. Heute ist wieder mal so ein Tag, gestern hat es 20 mm geregnet, das ist nicht viel aber genug um uns komplett zu stoppen. Voller Frustration sitze ich am Computer, schaue mir aus lauter Langeweile Golf oder Cricket an. Ich stoße auf eine Internetseite mit Jobangeboten in ganz Australien, schnell tippe ich ein paar Zeilen über mich und meine Erfahrungen der letzten Monate zusammen und sende es an ein paar Leute, egal was für ein Job, so wirklich mit einer Antwort rechne ich sowieso nicht und gegen Mitternacht gehe ich frustriert ins Bett, heute hat es wieder geregnet und somit werde ich morgen wieder gegen halb neun aufwachen und mich selber fragen was ich mit diesem Tag so anstellen werde.


Es ist Dienstag der 26. November, die letzten Wochen waren besser, nicht perfekt aber besser. Der für diese Jahreszeit sowieso ungewohnte Regen hat nachgelassen und meist finden sich ein paar trockene Schafe zu scheren. Ich bin nach einem langen heißen Tag auf dem Heimweg, leider nur 100km/h mehr ist nicht erlaubt, die Sonne neigt sich dem Horizont und ich freue mich auf die kalte Dusche. Plötzlich klingelt das Handy, eine Frau stellt sich als Jobvermittlerin vor und erkundigt sich, ob ich immer noch an dem Beruf interessiert sei und ob ich die Möglichkeit habe nächsten Montag zu einem Bewerbungsgespräch zu erscheinen. So sehr ich auch versuche aus meinem hinterletzten Abteil meiner grauen Zellen hervor zu ziehen von was für einem Beruf diese Frau redet, ich habe absolut keinen Plan. Aber warum eigentlich nicht, irgendwas werde ich mir dabei schon gedacht haben, als ich ihr diesen Bewerbungstext geschickt habe. Ich sage spontan zu, am nächsten Morgen nehme ich mir besagten Montag frei und keine zwei Tage später erreicht mich ein Stapel Papier mit Informationsmaterial. Unmengen an Sicherheitsvorschriften, ich überfliege diese Texte recht zügig bis ich auf den letzten Seite feststelle, das es dazu auch noch einen drei seitigen Fragebogen auszufüllen gibt, na wunderbar, nun weis ich ja was ich die nächsten Tage nach der Arbeit zu tun habe.

Am Montag dem zweiten Dezember sitze ich der mir vom Telefon bekannten Frau und einem netten Jungen Mann gegenüber, noch immer hab ich ehrlich gesagt nicht wirklich einen Plan um was es hier geht aber das wird sich bestimmt klären und siehe da, dieser Mann ist nur hier um mir meine Aufgaben in diesem Beruf näher zu bringen. Ich erfahre, dass es sich um ein Getreidelager handelt, das für die in Kürze beginnende Erntezeit, Arbeiter zum entladen der LKWs sucht, der Mann sagt es sei keine harte Arbeit aber 70 Stunden die Woche seien nicht unnormal. Dann ist die Frau an der Reihe: Sie stellt mir ein paar allgemeine Fragen zu meiner Erfahrung und solch allgemeinem Kram, als wir dem Ende dieses Bewerbungsgespräches näher kommen, erläutert sie mir das Bezahlungsmodell, ich beginne ein starkes Interesse zu bilden und keine fünf Minuten später gibt sie mir ein Formular zum eintragen meiner Steuerdetails sowie meinem Kontodaten mit und beendet das Treffen. Obwohl sie sagt, dass ich in Kürze über das Ergebnis des Gesprächs erfahren werde, bin ich mir recht sicher, dass das mein Job für die nächsten Wochen ist! Warum sonst möchte sie sonst meine Bank- und Steuerdetails wissen?


Es ist Sonntag der 15. Dezember ich packe meinen Rucksack, inzwischen habe ich die Zusage erhalten, doch aus organisatorischen Gründen muss ich Gorrinn verlassen. Matt der Manager wohnt in Ararat und kann mich mit auf Arbeit nehmen, doch es wäre zu umständlich mich von der Farm außerhalb von der Stadt abzuholen, deshalb wohne ich jetzt in einem Pub, habe mein eigenes kleines Zimmer im Obergeschoss und eine Bar im Erdgeschoss falls ich doch mal auf die lustige Idee kommen sollte Lust auf ein kühles Bier vom Fass zu verspüren. Was für ein Leben!



Am nächsten Morgen werde ich um sechs Uhr Morgens abgeholt, eine gute Stunde später kommen wir in Werneth an und auf den ersten Blick könnte es nicht unspektakulärer sein: Eine recht große flache Fläche, sechs riesen Silos, drei kleine Häuschen im Stile von Baucontainern und drei recht große mit Planen abgedeckte Haufen. Das kann ja was werden, nach kurzer Zeit bessert sich mein erster Eindruck, ich lerne das Team aus rund 15 Leuten kennen, die meisten haben hier schon zur Erntezeit 2012 gearbeitet und alle machen einen recht netten Eindruck. Halb acht beginnen wir mit der Arbeit. Ich lerne das System ein wenig kennen. Im großen und ganzen fahren die Trucks auf eine Art Rampe und tippen, dort das Getreide aus, unter der Rampe befinden sich Fließbänder, diese befördern die Ladung in ca. zehn Meter Höhe und bilden somit einen großen tonnenschweren Getreidehaufen. Da dabei recht viel Staub und Dreck entsteht habe ich meine Kamera noch nicht mit auf Arbeit gehabt hier ein paar Bilder aus dem Web: http://www.kiliceng.com.au/project/popup_images/20?idx=2)
Um diese mehrere Millionen Dollar kostbare Ladung nicht dem Wetter auszusetzen, werden große Planen verwendet um den Regen fern zu halten.

Heute ist Donnerstag, mit 45 Grad wohl einer der heißesten Tage des Jahres in dieser Region, der staubtrockener Nordwind brennt auf der Haut. Inzwischen bin ich verantwortlich für die Entladung aller Rapsladungen. Aus jedem einzelnem LKW wird zunächst eine Probe entnommen und alle preisbestimmenden Daten, wie Feutchtigkeit, Proteingehalt und Reinheit bestimmt, im Anschluss wird fahren die bis zu 50 Tonnen schweren Trucks auf die Waage, daraufhin entladen wir die wertvolle Ware. Natürlich wird dabei in unterschiedliche Qualitätsstufen unterteilt, so gibt es bis zu 5 Stufen von Gerste, im Grunde alles von Nahrungsmittel bis hin zum minderwertigen Futter. Insgesamt werden wir heute zwischen acht und 21 Uhr 250 Tonnen Getreide entladen. Da jeder „nur“ zwölf Stunden pro Tag arbeiten darf, endet für mich der Tag meist gegen sieben oder halb acht, doch eher ich zurück in Ararat bin ist es oftmals nicht vor neun Uhr abends. So gibt es meist in der Frühe den Sonnenauf- und auf der Heimfahrt den Sonnenuntergang zu betrachten. Doch wie in dem Bewerbungsgespräch beschrieben, es ist ein langer Tag aber wirklich keine harte Arbeit und das wirklich gute Team erleichtert die ganze Sache enorm, jedoch ist es trotzdem genug um Ende des Tages geschafft ins Bett zu fallen und sich wenigstens auf ein paar Stunden Schlaf zu freuen.

Ich werde diesen Job wohl bis Ende Januar haben, je nach dem wie lange sich die Erntezeit hinzieht.

Ich wünsche euch allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.