Es ist Mittwoch der 6. November ich wohne noch immer auf der
Farm Gorrinn und arbeite in Woolsheds, sammle also Wolle auf. Der am Anfang
komplizierte Wurf des Fleeces ist inzwischen reine Routine, ein Wurf in voller
eile und über eine Länge von drei Metern - kein Problem. Ich habe viel Spaß an
dem Job, arbeite zum Teil mit Neuseeländern, wo aus Tradition die Bassbox bis
auf Anschlag aufgedreht wird, oder in klassischen australischen Teams, bei
denen es immer eine lustige Geschichte der Kollegen zu hören gibt, einer redet
da immer, 10 Stunden am Tag mit einer halben Stunde Unterbrechung, in der
zweiten Hälfte der Mittagspause schlafen die meisten für 20 Minuten. Ich habe
mich an den Rhythmus gewöhnt, zwei Stunden arbeiten, halbe Stunde pause und
wieder zwei Stunden arbeiten bis abends halb sechs das letzte Schaf geschoren
wird und das Bier auf der Heimfahrt je länger die Woche ist immer besser
schmeckt. Am nächsten Morgen geht es wieder früh aus den Federn, gegen um 6
fahre ich los, sammle ein paar Kollegen auf dem Weg ein und halb acht beginnt
das selbe Spiel wieder von vorne, zehn Stunden laute Musik oder zehn Stunden
lustige Geschichten – Kiwi oder Aussie Team – Wolle aufzusammeln und durch die
Gegend zu werfen gibt es immer. So geht das ganze sieben Tage die Woche,
irgendwo gibt es immer ein Schaf mit zu viel Wolle, einen Scherer der 200
Haarschnitte am Tag verteilt und mich der 200 mal die Wolle aufhebt, wirft,
sortiert und presst. So würde es in einer idealen Welt aussehen, doch leider gibt
es diese auch hier nicht. Der Regen macht uns zur Zeit zu häufig einen Strich
durch diese Rechnung, nasse Wolle kann nicht geschoren werden und somit sitze
ich an diesen Tagen auf Gorrinn fest, verdiene nicht einen Dollar und bin meist
nicht gut gelaunt, ich hasse diese Tage. Leider häufen sie sich zurzeit immer
mehr, meist kommen nicht mehr als vier Arbeitstage pro Woche zusammen. Heute
ist wieder mal so ein Tag, gestern hat es 20 mm geregnet, das ist nicht viel
aber genug um uns komplett zu stoppen. Voller Frustration sitze ich am
Computer, schaue mir aus lauter Langeweile Golf oder Cricket an. Ich stoße auf
eine Internetseite mit Jobangeboten in ganz Australien, schnell tippe ich ein
paar Zeilen über mich und meine Erfahrungen der letzten Monate zusammen und
sende es an ein paar Leute, egal was für ein Job, so wirklich mit einer Antwort
rechne ich sowieso nicht und gegen Mitternacht gehe ich frustriert ins Bett,
heute hat es wieder geregnet und somit werde ich morgen wieder gegen halb neun
aufwachen und mich selber fragen was ich mit diesem Tag so anstellen werde.
Es ist Dienstag der 26. November, die letzten Wochen waren
besser, nicht perfekt aber besser. Der für diese Jahreszeit sowieso ungewohnte
Regen hat nachgelassen und meist finden sich ein paar trockene Schafe zu scheren.
Ich bin nach einem langen heißen Tag auf dem Heimweg, leider nur 100km/h mehr
ist nicht erlaubt, die Sonne neigt sich dem Horizont und ich freue mich auf die
kalte Dusche. Plötzlich klingelt das Handy, eine Frau stellt sich als
Jobvermittlerin vor und erkundigt sich, ob ich immer noch an dem Beruf
interessiert sei und ob ich die Möglichkeit habe nächsten Montag zu einem
Bewerbungsgespräch zu erscheinen. So sehr ich auch versuche aus meinem
hinterletzten Abteil meiner grauen Zellen hervor zu ziehen von was für einem
Beruf diese Frau redet, ich habe absolut keinen Plan. Aber warum eigentlich
nicht, irgendwas werde ich mir dabei schon gedacht haben, als ich ihr diesen Bewerbungstext
geschickt habe. Ich sage spontan zu, am nächsten Morgen nehme ich mir besagten
Montag frei und keine zwei Tage später erreicht mich ein Stapel Papier mit
Informationsmaterial. Unmengen an Sicherheitsvorschriften, ich überfliege diese
Texte recht zügig bis ich auf den letzten Seite feststelle, das es dazu auch
noch einen drei seitigen Fragebogen auszufüllen gibt, na wunderbar, nun weis
ich ja was ich die nächsten Tage nach der Arbeit zu tun habe.
Am Montag dem zweiten Dezember sitze ich der mir vom Telefon
bekannten Frau und einem netten Jungen Mann gegenüber, noch immer hab ich
ehrlich gesagt nicht wirklich einen Plan um was es hier geht aber das wird sich
bestimmt klären und siehe da, dieser Mann ist nur hier um mir meine Aufgaben in
diesem Beruf näher zu bringen. Ich erfahre, dass es sich um ein Getreidelager
handelt, das für die in Kürze beginnende Erntezeit, Arbeiter zum entladen der
LKWs sucht, der Mann sagt es sei keine harte Arbeit aber 70 Stunden die Woche
seien nicht unnormal. Dann ist die Frau an der Reihe: Sie stellt mir ein paar
allgemeine Fragen zu meiner Erfahrung und solch allgemeinem Kram, als wir dem
Ende dieses Bewerbungsgespräches näher kommen, erläutert sie mir das
Bezahlungsmodell, ich beginne ein starkes Interesse zu bilden und keine fünf
Minuten später gibt sie mir ein Formular zum eintragen meiner Steuerdetails
sowie meinem Kontodaten mit und beendet das Treffen. Obwohl sie sagt, dass ich
in Kürze über das Ergebnis des Gesprächs erfahren werde, bin ich mir recht
sicher, dass das mein Job für die nächsten Wochen ist! Warum sonst möchte sie
sonst meine Bank- und Steuerdetails wissen?
Es ist Sonntag der 15. Dezember ich packe meinen Rucksack,
inzwischen habe ich die Zusage erhalten, doch aus organisatorischen Gründen
muss ich Gorrinn verlassen. Matt der Manager wohnt in Ararat und kann mich mit
auf Arbeit nehmen, doch es wäre zu umständlich mich von der Farm außerhalb von der
Stadt abzuholen, deshalb wohne ich jetzt in einem Pub, habe mein eigenes
kleines Zimmer im Obergeschoss und eine Bar im Erdgeschoss falls ich doch mal
auf die lustige Idee kommen sollte Lust auf ein kühles Bier vom Fass zu
verspüren. Was für ein Leben!
Am nächsten Morgen werde ich um sechs Uhr Morgens abgeholt,
eine gute Stunde später kommen wir in Werneth an und auf den ersten Blick
könnte es nicht unspektakulärer sein: Eine recht große flache Fläche, sechs
riesen Silos, drei kleine Häuschen im Stile von Baucontainern und drei recht
große mit Planen abgedeckte Haufen. Das kann ja was werden, nach kurzer Zeit
bessert sich mein erster Eindruck, ich lerne das Team aus rund 15 Leuten
kennen, die meisten haben hier schon zur Erntezeit 2012 gearbeitet und alle
machen einen recht netten Eindruck. Halb acht beginnen wir mit der Arbeit. Ich
lerne das System ein wenig kennen. Im großen und ganzen fahren die Trucks auf
eine Art Rampe und tippen, dort das Getreide aus, unter der Rampe befinden sich
Fließbänder, diese befördern die Ladung in ca. zehn Meter Höhe und bilden somit
einen großen tonnenschweren Getreidehaufen. Da dabei recht viel Staub und Dreck
entsteht habe ich meine Kamera noch nicht mit auf Arbeit gehabt hier ein paar
Bilder aus dem Web: http://www.kiliceng.com.au/project/popup_images/20?idx=2)
Um diese mehrere Millionen Dollar kostbare Ladung nicht dem
Wetter auszusetzen, werden große Planen verwendet um den Regen fern zu halten.
Heute ist Donnerstag, mit 45 Grad wohl einer der heißesten
Tage des Jahres in dieser Region, der staubtrockener Nordwind brennt auf der Haut.
Inzwischen bin ich verantwortlich für die Entladung aller Rapsladungen. Aus
jedem einzelnem LKW wird zunächst eine Probe entnommen und alle
preisbestimmenden Daten, wie Feutchtigkeit, Proteingehalt und Reinheit
bestimmt, im Anschluss wird fahren die bis zu 50 Tonnen schweren Trucks auf die
Waage, daraufhin entladen wir die wertvolle Ware. Natürlich wird dabei in
unterschiedliche Qualitätsstufen unterteilt, so gibt es bis zu 5 Stufen von Gerste,
im Grunde alles von Nahrungsmittel bis hin zum minderwertigen Futter. Insgesamt
werden wir heute zwischen acht und 21 Uhr 250 Tonnen Getreide entladen. Da
jeder „nur“ zwölf Stunden pro Tag arbeiten darf, endet für mich der Tag meist
gegen sieben oder halb acht, doch eher ich zurück in Ararat bin ist es oftmals
nicht vor neun Uhr abends. So gibt es meist in der Frühe den Sonnenauf- und auf
der Heimfahrt den Sonnenuntergang zu betrachten. Doch wie in dem
Bewerbungsgespräch beschrieben, es ist ein langer Tag aber wirklich keine harte
Arbeit und das wirklich gute Team erleichtert die ganze Sache enorm, jedoch ist
es trotzdem genug um Ende des Tages geschafft ins Bett zu fallen und sich
wenigstens auf ein paar Stunden Schlaf zu freuen.
Ich werde diesen Job wohl bis Ende Januar haben, je nach dem
wie lange sich die Erntezeit hinzieht.
Ich wünsche euch allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und
einen guten Rutsch ins neue Jahr.
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