Sonntag, 23. Dezember 2012

Erwischt und überlebt


21.12.2012 gegen 11.00 Uhr: William, Andrew und ich sind in den Yards, um aus einem Mob von jungen Zuchtbullen ein paar gute herauszusortieren. Eigentlich ungewöhnlich für Bullen, sind diese recht aggressiv und angriffslustig, ich bekomme eine gewisse Portion Respekt, vor knappen 800 Kilo purer Muskelmasse in Bewegung. Also immer schön vorsichtig sein, lieber einen Schritt zurücktreten und beruhigend auf die Bullen einreden. Das ist sowieso immer das wichtigste und auch erfolgreichste: Mit den Rindern reden, meist in Englisch in manchen Situationen, zur Freude meiner Mitmenschen, auch mal in Deutsch. Offenbar ergeben beide Sprachen in deutlicher Stimmlage Sinn, denn fast immer wissen die Rinder was zu tun ist.

Zentrum der Yards zum Sortieren der Rinder
Das eigentliche Sortieren erfolgt Rind für Rind, jeder einzelne Bulle kommt in ein rundes Abteil (siehe Foto), welches hauptsächlich aus verschiedenen Eisentoren besteht, diese führen dann zu den einzelnen Abteilen. Meine Aufgabe ist es, dass jeweilige richtige Tor zu öffnen, nachdem Andrew mir zuruft, wo welcher Bulle hinzugehen hat. Soweit die trockene Theorie, erschwert wird das ganze dadurch, dass das ganze runde Ding nur einen Radius von rund drei Metern hat und die Bullen wie schon erwähnt recht aggressiv sind. Das heißt im Klartext ich bin immer darauf vorbereitet, auf eines der Tore hochzuklettern, um dem herankommenden Bullen auszuweichen. Jedoch sollte ich auch nicht die ganze Zeit auf den Toren befinden, da es so natürlich schwer ist sie zu öffnen bzw. es den ganzen Prozess einfach unglaublich aufhält.
Inzwischen sind wir in einem gutem Arbeitsfluss und ich beginne zu verstehen die Muskelberge einzuschätzen und dem entsprechen zu reagieren oder eben nicht. Doch dann kommt ein besonders großer zu mir herein, eigentlich auf den ersten Blick nicht all zu aggressiv, denke ich mir gerade, doch da nimmt er auch schon Schwung auf und rennt, mit dem gesenkten Kopf voran, auf mich drauf zu, eine deutliche Aufforderung aus dem Weg zu gehen, ich springe auf das Tor, habe meinen Kopf und Oberkörper inzwischen außer Reichweite, da rammt er mein Bein mit seinem Schädel gegen das Eisentor. Ich falle auf der anderen Seite des Tores herunter und da liege ich erstmal und kann mein Bein nicht mehr anheben. Andrew und William eilen mir zu Hilfe und nach dem ein oder anderem schlauen Kommentar und der Gewissheit, dass kein Blut in alle Richtungen spritzt (so hat es sich im ersten Moment angefühlt)  können wir alle schon wieder drüber lachen. So wird hier nun einmal mit Schmerzen umgegangen, da wirklich keine Zeit ist, für jeden kleinen Kratzer ein Pflaster zu holen. Da ich aber erstmal nicht mehr laufen kann, sondern nur noch auf einem Bein umher springe, bekomme ich erstmal ein paar Stunden Auszeit.
4 Stunden voller Eis und Schlaf später, saß ich wieder auf dem Quad um die Rinder zurück zu schaffen. Das Motorrad wäre mir zwar lieber gewesen, ging aber natürlich nicht, weil ich mit dem linken Bein keine Gänge wechseln konnte. Inzwischen, am Abend des übernächsten Tages, ist es nur noch ein wenig dick und das laufen geht auch fast problemlos, auch saß ich die Tage schon wieder auf dem Motorrad und habe gestern Morgen für mich selbst beschlossen, das definitiv nix gebrochen ist. Ein Arzt, zu holen, würde bedeuten, dass der flying doctor  (fliegender Arzt) hunderte Kilometer mit dem Flugzeug herkommen muss und so schlimm ist es ja nun auch nicht gewesen.
 In diesem Sinne kann ich Weihnachten nun doch genießen und beginne seit ein paar Tagen auch schon so etwas wie Vorfreude zu entwickeln, auch wenn ich noch nicht so richtig herausgefunden habe auf was ich mich freuen kann. Das einzige was ich weiß das es ganz anders als zu Hause wird, aber davon werde ich bestimmt ein andermal noch schreiben.

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